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Kunst nach Plan

Voll vernetzt: Mit Robert und Carsten im Kunstraum

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Unsichtbar und trotzdem da: Das Berliner Gasnetz erstreckt sich im Verborgenen unter allen Bezirken und versorgt die Hauptstadt täglich mit Energie. Jeder läuft tagtäglich darüber, aber niemand sieht es. Bis jetzt. Konzeptkünstler Robert Patz zeigt das Netz im GASAG Kunstraum aktuell in einer Ausstellung der anderen Art – einem begehbaren Skizzenbuch mit großformatigen Planzeichnungen. Anregung dafür bekam er unter anderem von Carsten Döring, der mit der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) das Gasnetz der Hauptstadt betreut. Für ein Interview haben wir die beiden erneut vernetzt.

@Carsten: Du kennst dich mit dem Gasnetz der Hauptstadt bestens aus. Über welche Länge spannt es sich eigentlich unter unseren Füßen?
Carsten: Das verästelte System an Gasleitungen in Berlin ist historisch mehr als 170 Jahre lang gewachsen. Heute umfasst es 7.122 Kilometer. Das entspricht auf einer Linie etwa der Entfernung Berlin–Peking.

@Robert: Wie bist du auf das Thema „Netze“ gestoßen und was hat dich dazu veranlasst, es in deiner Kunst aufzugreifen?
Robert: Ich mache vor allem architekturbezogene Arbeiten, die etwas mit Orten beziehungsweise ihrer Nutzung zu tun haben. Aus diesem Grund haben mich die GASAG und die NBB mit ihrem Gasnetz schon länger interessiert. Ich fand die technische Komponente spannend, aber auch die Verbindungen der GASAG mit den Menschen der Hauptstadt, die Vernetzungen in den Bereichen Kultur und Sport und natürlich mit den Abnehmern. Ein unglaublich vielschichtiges Netz. 

Und das spiegelt sich auch in deinen Werken wieder?
Robert:
So jedenfalls der Versuch (lacht). Die Vielschichtigkeit der Netze ist natürlich viel zu komplex, um sie in einem Werk abbilden zu können.

Nicht zuletzt in einer Metropole wie Berlin. Gibt es trotzdem Details, die dir in der Hauptstadt besonders aufgefallen sind?
Robert: Im Fall des Gasnetzes kann man bei genauer Betrachtung die Geschichte der Stadt wiedererkennen. Wenn man zum Beispiel historische Karten des Netzes aus der Zeit vor 1990 ansieht, ist darin häufig der Verlauf der Mauer erkennbar, da Ost und West während der Teilung eigene Netze betrieben haben.

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@Carsten: War das nach der Wiedervereinigung eine große Herausforderung? Musstet ihr euch erst einmal einen Überblick verschaffen und die Karten wieder zusammenführen?
Carsten: Ich habe 1995 bei der GASAG angefangen, da gab es immer noch offene Fragen an manchen Stellen, unter anderem, weil das Kartenmaterial über das Netz von Ostberlin teilweise gar nicht zur Verfügung stand. Es gab zum Beispiel ein Diplomatenviertel. Die Residenzen dort waren zwar ans Gasnetz angeschlossen, die Leitungen aber waren nicht immer verzeichnet. Solche Schwarzleitungen mussten natürlich aufbereitet werden in den Karten.

Wie lange hat das gedauert?
Carsten: Definitiv bis Ende der 90er-Jahre. Danach haben wir zwar immer noch mal Überraschungen erlebt, heute passiert das aber nicht mehr. Alles ist erfasst.

Beste Voraussetzungen also für dich, Robert.
Robert: Ja, genau. Anders als in vielen anderen Projekten, für die ich recherchierte, war das Material der GASAG tatsächlich sehr ergiebig – sowohl das historische Kartenmaterial als auch die Pläne über den aktuellen Stand.  Zusätzlich suche ich aber auch immer Gespräche. Deshalb war ich beispielsweise mal bei der NBB zu Besuch, habe mir die Leitwarte angeguckt und mich mit Mitarbeitern ausgetauscht.

Unter anderem mit dir, Carsten. Wie findest du die finale Ausstellung aus Sicht des Netzbetreibers?
Carsten: Ich war schon beeindruckt, als ich die Ausstellung das erste Mal gesehen habe. Interessant an der Aufbereitung von Robert ist, welche Ästhetik das über die Jahrzehnte gewachsenen Netz in seinen Arbeiten bekommt. Außerdem bekommt man einen Eindruck von der riesigen Struktur, den Leitungen, die ineinandergreifen, den Kunden, die hinter jedem Anschlusspunkt stehen. Das Ganze in einer geschlossenen Darstellung zu sehen, hat seinen Reiz.

Erkennst du Teile des Netzes wieder, die du von deinen Karten kennst?
Carsten: Nee, das dann doch nicht. Die Ausschnitte sind dafür zu stark vergrößert und abstrahiert von dem Material, das ich Robert ursprünglich zur Verfügung gestellt habe.

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Abstraktion ist ein gutes Stichwort. Hast du die Präzision der Karten bewusst aufgehoben, um einen neuen Blick auf die Stadt zu schaffen?
Robert:
Karten sind immer informative Darstellungen und wir sind darauf trainiert, sie auf eine bestimmte Weise zu lesen. Mir ging es darum, mehr darin zu finden, vor allem Ästhetik. Die jedenfalls können die Besucher der Ausstellung nun entdecken.

Was ist also zu sehen?
Robert:
Die ganze Ausstellung ist wie ein begehbares Skizzenbuch. Skizzen mache ich für alle meine Arbeiten, anders als sonst sind daraus aber eigene Arbeiten im Großformat geworden – auf Transparentpapier, das bis heute für technische Zeichnungen verwendet wird. Das passte super für das Projekt. 

@Carsten: Euer Kartenmaterial gibt es heute aber auch längst digital, oder?
Carsten:
Ja klar. Das ist allein schon für die Arbeit in der Leitwarte notwendig. Von dort steuern wir das Netz dank der Digitalisierung heute über Monitore, tagsüber mit zwei Kollegen, im Nachtbetrieb sogar nur mit einem. Über Fernsteuerung haben sie Zugriff auf das ganze Netz und sorgen für die optimale Verteilung der Energie in der Stadt.

Robert: Das ist echt faszinierend! Wie in vielen anderen Lebensbereichen auch werden die Wirkungen unserer Tätigkeit durch die zunehmende Digitalisierung unsichtbar – und das Gasnetz damit unsichtbarer als ohnehin schon.

@Robert: Hatte die Digitalisierung also auch Einfluss auf deine Ausstellungswerke?
Robert:
Nicht direkt. Letztlich mache ich das Unsichtbare durch meine Arbeiten ja eher wieder etwas sichtbar. Aber meine Arbeitsweise war größtenteils digital. Screen addicted wie ich bin, habe ich die Zeichnungen zunächst am Rechner erstellt. Erst danach, als die großen Skizzen gedruckt waren, habe ich händisch Details hinzugefügt. 

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Ein kleiner Ausblick zum Schluss: Wie wird das Netz in Zukunft aussehen?
Carsten:
Am Ende wird es eine Frage der Verantwortung sein, inwieweit man das Gasnetz vollautomatisieren und sich selbst überlassen sollte. Da muss man schon überlegen. Heute ist ja noch nicht einmal auf selbstfahrende Autos hundertprozentig Verlass. Deshalb: Das total „selbstfahrende Netz“ ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Andere Neuerungen in kleinerem Maßstab?
Carsten:
Tatsächlich wird die Vernetzung von Netzen untereinander voranschreiten, beispielsweise des Strom- und Gasnetzes – die sogenannte Sektorenkopplung. Wenn zum Beispiel eine Windkraftanlage in Hochphasen mehr Strom produziert als abgenommen wird, hat man die Möglichkeit, den Strom in grünes Gas umzuwandeln. Das wird ein nächster Schritt sein.

Welche weiteren Pläne hast du, Robert?
Robert:
Ich widme mich Kunst-am-Bau-Wettbewerben und habe mir ansonsten vorgenommen, an meiner Doktorarbeit weiterzuschreiben. Darin geht’s um digitale Werkzeuge in der Architektur beziehungsweise der Gestaltung allgemein.

Viel Erfolg dabei und danke euch beiden für das Interview. Wir bleiben vernetzt!

Die Ausstellung „Netz“ von Robert ist noch bis zum 12. Oktober im GASAG Kunstraum am Hackeschen Markt zu sehen. Ein Besuch ist wochentags von 10–18 Uhr möglich. Der Eintritt ist frei. Mehr Infos zum GASAG Kunstraum und der aktuellen Ausstellung findest du hier.

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