Mit grünen Gasen in die klimaneutrale Zukunft
Bis 2030 will Deutschland seine Treibhausgasemissionen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken, 2045 sogar komplett klimaneutral sein. Damit das gelingt, müssen Industrie, Verkehr und das Energiesystem neu gedacht werden. Eine zentrale Rolle dabei spielt grünes Gas. Wir stellen wichtige Ansätze dazu vor.

Die Energiewende ist der komplette Umbau der Energieversorgung und damit die größte Wirtschaftsumstellung des 21. Jahrhunderts.
Was ist grünes Gas?
Als grünes Gas werden alle gasförmigen Energieträger bezeichnet, bei deren Verbrennung nicht mehr CO2 freigesetzt wird, als zuvor der Atmosphäre entnommen wurde. Sie sind daher nahezu klimaneutral. So heißt es in einer Definition des BDEW Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft.
Zu den grünen Gasen zählen:
- Biogas: Biogas entsteht bei der Vergärung von Biomasse und kann veredelt ins Gasnetz eingespeist werden.
- Wasserstoff: Wasserstoff entsteht entweder durch die Elektrolyse von Wasser mittels Strom (Power-to-Gas) oder dadurch, dass Erdgas unter großer Hitze in Wasserstoff (H2) und CO2 aufgespalten wird. Das Kohlendioxid wird dabei zur weiteren Verwertung aufgefangen.

Biogas, Ökogas, Naturgas, Klimagas – was ist was?
Biogas bezeichnet eine spezifische Gas-Qualität. In veredelter Form findet es sich zum Beispiel in GASAG | ERDGAS Bio10. Manchmal wird es auch als Naturgas bezeichnet. Davon zu unterscheiden ist Ökogas oder Klimagas. Dabei handelt es sich um normales Erdgas, dessen CO2-Emissionen vollständig ausgeglichen werden. Da Ökogas ebenfalls klimaneutral ist, ist es eine – meist kostengünstigere – Alternative zu echtem grünen Gas.Wie wird grünes Gas produziert?
Biogas
Überall, wo es gärt, entsteht Biogas, genauer gesagt Methan (CH4). Zum Beispiel in Mooren oder Güllegruben. Biogasanlagen funktionieren im Grunde nach demselben Prinzip. Nur dass hier Mikroorganismen die Gärung künstlich anstoßen. Dieser Prozess heißt Methanogenese. Dabei entsteht durch die Reaktion von Wasserstoff mit Kohlenstoffdioxid Methan. Das wird anschließend zu Biomethan, synthetischem Erdgas (CH4) veredelt und kann ins Gasnetz eingespeist werden. In 90 Prozent der Fälle wird das Biogas direkt am Entstehungsort in Blockheizkraftwerken in Strom und Wärme umgewandelt. Biomethan kann aber beispielsweise auch verwendet werden, um Fahrzeuge mit Brennstoffzelle anzutreiben oder mit Brennstoffzellen-Heizungen Wärme zu erzeugen.

Biogas aus Berlin
In der modernen Biogasanlage der Berliner Stadtreinigung (BSR) in Ruhleben werden jedes Jahr 70.000 Tonnen Bioabfall zu klimaneutralem Biogas umgewandelt. Damit werden 160 Müllfahrzeuge angetrieben, die 60 Prozent des Berliner Rest- und Biomülls abholen. Das sorgt für eine rußfreie Stadt und spart nebenbei pro Jahr rund 2,5 Millionen Liter Diesel.
Grauer und grüner Wasserstoff
Wasserstoff ist gerade in Politik und Forschung stark im Trend. Manche sehen ihn als „Erdöl der Zukunft“ an. Dabei ist Wasserstoff eigentlich ein alter Bekannterund noch dazu das häufigste Element im Universum. Allerdings: Ohne Veredelung ist Wasserstoff nicht nutzbar. Und das war bisher der Haken. Beim herkömmlichen Verfahren zur Wasserstoffproduktion, der Dampfreformierung, wird Erdgas unter großer Hitze in Wasserstoff und CO2 aufgespalten. Pro hergestellter Tonne dieses sogenannten grauen Wasserstoffs fallen 10 TonnenCO2 an. Dieses Kohlendioxid wird nicht gespeichert oder weiterverwendet, sondern entweicht ungenutzt in die Atmosphäre. Die Folge: eine katastrophale CO2-Bilanz. Mit diesem „schmutzigen“ grauen Wasserstoff hat die aktuelle Debatte allerdings nichts mehr zu tun. Im Gegenteil: Im grünen Wasserstoff liegt die Zukunft.
Grüner Wasserstoff aus Power-to-Gas – sauberer geht’s nicht
Grüner Wasserstoff wird ausschließlich aus erneuerbaren Energien hergestellt und ist klimaneutral. Power-to-Gas (PtG) heißt das Prinzip, bei dem Strom aus regenerativen Energiequellen wie Wind oder Sonne durch Elektrolyse in sauberen Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt wird. Dieser grüne Wasserstoff kann zu einem kleinen Teil entweder direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden. Oder er wird durch Zugabe von CO2 – etwa aus der Luft oder als Restprodukt aus Biogasanlagen – zu synthetischem Erdgas (CH4) veredelt. Ein weiteres Einsatzgebiet mit enormem Potenzial: Wasserstoff-Autos.


Woher kommt der Strom, wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind weht?
Ganz nebenbei löst das Power-to-Gas-Verfahren noch ein weiteres Problem der Erneuerbaren, nämlich die Frage: Woher kommt eigentlich der Strom, wenn die Sonne mal nicht scheint oder der Wind nicht weht? Die Lösung lautet: Man speichert ihn einfach. Bislang war das noch nicht im großen Stil möglich, ganz im Gegenteil: Bei Überkapazitäten im Stromnetz mussten Windkraftanlagen abgeriegelt werden. Mit Power-to-Gas werden diese Überkapazitäten einfach für die Wasserstoffproduktion genutzt. Der Wasserstoff landet dann in unterirdischen Energiespeichern – bis wir die Energie wieder brauchen.Mit blauem und türkisem Wasserstoff die Klimaziele erreichen?
Blauer Wasserstoff
Wird das CO2, das bei der Herstellung entsteht, im Untergrund eingelagert, spricht man von blauem Wasserstoff. Dieser Prozess heißt Carbon Capture Storage (CCS). Das geologische Speicherpotenzial Europas ist immens, Schätzungen der International Association of Oil and Gas Producers (IOGP) zufolge liegt es bei 134 Gigatonnen. Trotzdem ist die Speicherung von CO2 im Untergrund, beispielsweise unter dem Meeresboden, umstritten. Die Forschung hat noch keine abschließende Antwort auf die Frage gefunden, wie sicher dieses Verfahrens ist (zum Beispiel was Erdbebensicherheit und langfristige Lagerung angeht). Aktuelle Studien laufen noch.
Berliner Erdgasspiecher für die klimaneutrale Hauptstadt
800 Meter tief unter Charlottenburg liegt der Berliner Erdgasspeicher der GASAG. In den 1980er-Jahren wurde das Projekt initiiert, um eine strategische Reserve für die Mauerstadt anzulegen und diese unabhängig von sowjetischen Erdgaslieferungen zu machen. Seit 2017 ist die Anlage stillgelegt.
Türkiser Wasserstoff
Wird das Kohlendioxid, das bei der Abscheidung entsteht, nicht eingelagert, sondern zur stofflichen Nutzung weiter veredelt (Carbon Capture and Utilization, CCU), spricht man von türkisem Wasserstoff. Fester Kohlenstoff spielt etwa in der chemischen Industrie, aber auch bei der Produktion von Baumaterialien eine Rolle.